Standort Tafel 7 Reussbrücke

Station 7, Reussbrücke

Der Fährbetrieb

Mindestens seit dem Jahr 1246 existierte an dieser Stelle eine Fähre über die Reuss. Im 15. Jahrhundert betrieb die Familie Senn einen Fährdienst. Heini Senn erhielt 1466 von den Genossen zu Hünenberg das Genossenrecht und durfte im nahen Wald Schweine weiden lassen – unter der Bedingung, dass er die Hünenberger unentgeltlich über die Reuss beförderte.

1486 verkaufte Andreas Senn das Fährrecht an die Stadt Zug, erhielt es jedoch als Pacht zurück und betrieb den Fährdienst weiter.

Weitere Pächter der Reussfähre u.a.: 

  • 1524: Golder aus der Chamau
  • 1564: Kaspar Wysss
  • 1573: Melchior Hünenberg. Er bekam noch von 5 Gulden für eine neue Unform.

Natürlich musste bei der Überfahrt ein Zoll bezahlt werden. 1646 legte die Zugerregierung fest: 

  • Die Knaben von Hünenberg, die nach Sins in die Schule gehen, müssen vierteljährlich  je 2  Schilling Zoll bezahlen.
  • Die Mädchen von Sins, die diesseits (also in Hünenberg)  in die Schule gehen, je 4 Schilling.

Ungerechtigkeiten gab es schon damals!

Unfälle 

Immer wieder wurde von Unfällen auf der Reuss berichtet. Die bekannte Sage „Das Licht an der Reuss“ erzählt von einem geheimnisvollen Licht, das angeblich bei einem tragischen Fährunglück erschien.

Der wohl folgenschwerste Unfall ereignete sich 1627:
Eine Gruppe von vierzig Wallfahrern aus Hitzkirch kehrte von Einsiedeln zurück. Beim Übersetzen kenterte die Fähre, und das aufgewühlte Hochwasser riss alle Insassen in den Tod.

Mag sein, dass dieses Unglück den Zugern als Vorwand diente, um den Bau einer Brücke zu rechtfertigen. Tatsächlich spielten jedoch wirtschaftliche Überlegungen eine zentrale Rolle:

Ziel war es, die Freiämter Bauern direkt auf den Zuger Markt zu bringen – was eine Standortaufwertung für Zug bedeutete. Eine Brücke würde den Marktweg nach Zug deutlich verkürzen, verglichen mit dem bisherigen Weg über die Reussbrücke bei Gisikon nach Luzern.

Die erste Brücke von 1641

Eigentlich hätte die Tagsatzung – das höchste politische Organ der Alten Eidgenossenschaft – ihre Zustimmung zum Bau der Reussbrücke bei Sins erteilen müssen. Doch bald erfuhren die Zuger, dass vor allem die Luzerner gegen das Projekt waren. Sie befürchteten Markteinbussen, da eine Brücke den Marktweg der Freiämter Bauern verkürzen und Zug wirtschaftlich stärken würde – auf Kosten Luzerns.

Die Zuger griffen daher zu einer List, um ein Luzerner Veto zu umgehen:
Am 17. März 1640 legte der Zuger Stadtrat dem Amtsrat die Pläne für eine gedeckte Holzbrücke bei Sins vor – und begann unmittelbar danach mit dem Bau, noch bevor die Tagsatzung überhaupt entscheiden konnte. Als das Vorhaben öffentlich wurde, war es zu spät für Einwände.

Nach 16 Monaten Bauzeit unter der Leitung von Baumeister Michael Speck wurde die Brücke 1641 fertiggestellt – zu Kosten von 17’000 Gulden.

Mit der neuen Brücke kam auch der Brückenzoll. Die Hünenberger, die bisher kostenlos über die Reuss übersetzen konnten, waren darüber erbost. 1641 fragten die Hünenberger in Zug an, ob sie künftig vom Fährzoll befreit seinen. Dafür würden sie auf die Miete für «die kleine Matte» verzichten, die der Fährmann ihnen bisher gezahlt hat. 

Um den Unmut zu besänftigen, erklärte Franz Josef Wickard am 8. Mai 1672 an der Maiengemeinde in Zug, dass die Hünenberger beim Bau der Brücke treu mitgeholfen hätten – und schlug vor, sie künftig nur den halben Zoll zahlen zu lassen. Allerdings wurde dies nicht bewilligt: Laut Urkunde von 1739 mussten sowohl Hünenberger wie die Burger Zoll entrichten.

1710 wurde die Brücke mit 86’000 Schindeln neu gedeckt. Der damalige Bauherr Knopflin berichtete stolz, «dass in den nächsten sechzig Jahren keine solche Reparatur mehr nötig sei».

Von der ersten Brücke von 1641 sind bis heute der Mittelpfeiler sowie die beiden Uferpfeiler erhalten geblieben – stille Zeugen eines Brückenschlags, der nicht nur über die Reuss führte, sondern auch Politik, Handel und lokale Identität miteinander verband.

Die zweite Brücke von 1809

Im Jahr 1798 marschierten französische Truppen über die Brücke ins Zugerland, verbreiteten Angst – und verwüsteten das Zollhaus. Die Brücke selbst war zu diesem Zeitpunkt bereits stark baufällig. 1809 wurde sie vom Luzerner Stadtbaumeister Ritter neu errichtet.

Nach der Mediation (1803–1815) gingen die Besitzrechte von der Stadt an den Kanton Zug über. Ein sichtbares Zeugnis ist das kleine Zollhäuschen mit dem Zuger Wappen und der Jahreszahl 1835.

Während des Sonderbundskriegs wurde die Brücke erneut zum Brennpunkt. Am 10. November 1847 versuchten Sonderbundstruppen, den Einmarsch eidgenössischer Truppen ins Zugerland zu verhindern:
Ein mit Sprengstoff beladenes Heufuder wurde in die Brücke gefahren und zur Explosion gebracht. Der Plan scheiterte – aber der zugerische Teil der Brücke wurde zerstört.

1852 wurde dieser Teil nach Plänen des Zürcher Baumeisters Stadler neu aufgebaut. Der Konstruktionsunterschied ist im Brückeninnern bis heute sichtbar.

Mit dem wachsenden Strassenverkehr im 20. Jahrhundert wurde die Sinserbrücke zum Nadelöhr:

  • 1945 wurde ein gedeckter Gehweg an die Brücke angebaut.
  • 1948 erhielt sie erstmals eine asphaltierte Fahrbahn.
  • 1970 meldete der Busbetrieb Hochdorf–Sins–Cham einen Unfall beim Kreuzen zweier Fahrzeuge in der Brücke.Reussbrücke-Sins

Die neue Strassenbrücke 1996

Mit dem Anstieg des Verkehrs in den 1960er- und 1970er-Jahren, vor allem auf der Nord-Südachse, wurde die Sinser Holzbrücke zu einem Flaschenhals. Bevor die Autobahn A2 (Basel–Luzern–Gotthard) eröffnet wurde, fuhren Tausende Transitfahrzeuge über die Brücke – von Deutschland nach Italien. Die Wartezeiten am Lichtsignal und bei den Bahnschranken waren legendär.

Um dem Verkehrschaos ein Ende zu setzen, bauten die Kantone Zug und Aargau gemeinsam eine moderne Strassenbrücke, die am 28. September 1996 feierlich eingeweiht wurde.

Seither ist die alte Holzbrücke vom Durchgangsverkehr befreit – und erlebt beinahe wieder mittelalterliche Zustände: als historisches Bauwerk, Fussweg und Denkmal, das die bewegte Vergangenheit der Region spürbar macht.

Seit 1847 ist der Kanton Zug allein für den Unterhalt der Sinserbrücke verantwortlich – als unmittelbare Folge der Sprengung durch die Sonderbundstruppen, die auf Anordnung von Graf Schweinitz erfolgte.

 

Neue Reussbrücke bei Sins

Vom «Meitli-Markt“ zum «Brogge-Märt»

Alljährlich im Mai traf sich früher die Bevölkerung der Umgebung – die sogenannte „Gegend“ – zum traditionellen Maimarkt auf der Reussbrücke. Im Volksmund wurde er liebevoll „Meitlimarkt“ genannt, denn so manche Freundschaft oder Partnerschaft nahm hier ihren Anfang.

Um 1860 soll der Markt zum letzten Mal stattgefunden haben – danach verlor sich die Tradition.

Bei der Eröffnung der neuen Reussbrücke im Jahr 1996 wurde erstmals wieder ein Markt auf der Brücke veranstaltet – mit grossem Erfolg. In der Folge gründete sich ein Verein, der seither jedes Jahr am letzten Samstag im September den beliebten „Brogge-Märt“ organisiert.

Heute präsentieren sich zwischen 100 und 120 Marktfahrende mit ihrem handwerklich geprägten Angebot – auf der Brücke und beidseits der Reuss. So lebt die Nostalgie des früheren Meitlimarkts weiter.

Brückenmarkt Sins-Hünenberg

 

Brogge-Märt

Text:        Patricia Diermeier, Klaus Meyer

Fotos:      Gemeindearchiv Sins, Thomas Müller, Andreas Busslinger

Sponsor:  Alex Gemperle AG, Hünenberg

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